Business of Football

Oliver Kahn: RB Leipzig hat Borussia Dortmund sportlich bereits überholt

Oliver Kahn schreibt in seiner neuen Sports-Illustrated-Kolumne "Business of Football" über das Thema Multi-Club Ownership, was nicht erst seit dem Wechsel von Jürgen Klopp zu Red Bull ein großes Thema ist und warum Leipzig sportlich am BVB vorbeigezogen ist.

Oliver Kahn als Titelstar der neuen Ausgabe von SPORTS ILLUSTRATED
Credit: Markus Jans
 

 

Vom Adrenalin-Job des Trainers auf den Managementposten: Auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie Jürgen Klopps neue Aufgabe als "Head of Global Soccer" bei Red Bull aussehen wird – es wird auf jeden Fall eine große Umstellung. Schließlich ist der ehemalige Coach des FC Liverpool ab sofort nicht mehr nur für einen, sondern für eine Vielzahl von Fußballklubs verantwortlich. Denn das Portfolio des Getränkegiganten aus Fuschl am See umfasst neben RB Leipzig und RB Salzburg auch die New York Red Bulls, Bragantino aus Brasilien und seit Neuestem Omiya Ardija aus Japan.

Multi-Club Ownership lautet in diesem Zusammenhang das Stichwort. Bedeutet: Ein Investor oder eine Gruppe hält gleichzeitig Anteile an zwei oder mehr Vereinen. Neben Red Bull ist die City Football Group einer der größten Vertreter. Die Holding, mehrheitlich in Hand der Herrscherfamilie aus Abu Dhabi, vereint mehr als zehn Klubs, darunter Premier-League-Meister Manchester City, New York City FC, FC Girona oder Mumbai City FC. In Deutschland sind etwa der FC Augsburg oder Hertha BSC Teil eines solchen Netzwerks.

Oliver Kahn: "Multi-Club Ownership kein neues Phänomen"

Dabei ist Multi-Club Ownership kein neues Phänomen, bereits 2015 waren über 60 europäische Vereine davon betroffen. In den vergangenen Jahren hat sich die Entwicklung aber erheblich beschleunigt – mittlerweile sind es 300 Klubs in über 120 Multi-Club Ownerships, allein in der Premier League sind über zwei Drittel der Liga so organisiert. Das Ziel der Investoren? Aus wirtschaftlicher Sicht will man das Risiko diversifizieren – und ähnlich wie auf dem Aktienmarkt anstatt in nur eine Position in gleich mehrere Fußballvereine investieren. Aus sportlicher Sicht liegt Multi-Club Ownership die Idee zugrunde, Strukturen über mehrere Vereine hinweg zu vereinheitlichen – von der Ausbildung junger Spieler über Scouting oder Spielsysteme bis hin zur Optimierung der Finanzen.

RB Leipzig
RB Leipzig
Credit: Sports Illustrated
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Die Wirkungen von Multi-Club Ownership sind besonders gut bei Transfers und Leihgeschäften zu beobachten. Vereine einer identischen Investorengruppe, die oft über einen riesigen Talentepool verfügen, können Spieler innerhalb des Multi-Club Ownership zirkulieren lassen – und so den Wettbewerb beeinflussen und nebenbei ihre finanzielle Situation verbessern. Ähnliches gilt für Ausleihen – wenn etwa ein Topklub Spieler an andere Klubs im Netzwerk verleiht. Dadurch kann er dem Spieler einen kontrollierten Entwicklungspfad und vor allem Einsatzzeit bieten, was wiederum den Marktwert des Spielers schneller steigert.

Hier hat die UEFA bereits regulierend eingegriffen und Auswüchse verhindert, indem sie die Zahl der Profis, die ein Verein leihen und ausleihen darf, auf sechs begrenzt hat. Für so wirkmächtig, wie es oft dargestellt wird, halte ich Multi-Club Ownership aber nur dann, wenn es gelingt, Klubs aus unterschiedlichen Ländern und unterschiedlichen Ligen mit unterschiedlichen Klubkulturen wirklich zusammenzubringen. Wenn ein Investor beispielsweise einen Klub aus Frankreich, England und dazu noch einen weiteren Traditionsverein in Portugal besitzt, bleiben die gewünschten "Synergieeffekte" oft ein Wunschgedanke, der sich vielleicht gut anhört, in der Realität aber nur schwer umsetzbar ist. Und zwar nicht nur, weil die Fans auf die Barrikaden gehen, wenn der Investor in die Identität ihres Klubs zu stark eingreift.

Sports-Illustrated-Kolumnist Kahn sieht RB Leipzig vor BVB

Jeder Verein besitzt sein eigenes Erbe, seine Tradition und bedeutet Identifikation für die Menschen, die ihn seit Jahrzehnten jedes Wochenende besuchen. Hier nach Schema F einfach neue Trikotfarben und ein einheitliches Ausbildungssystem überzustülpen und Vereine zu "Feederclubs" zu machen, wird kaum zum Erfolg führen. Damit ein Multi-Club Ownership funktionieren kann, braucht es spezielle sportliche Expertise und Erfahrung, die im Fußballgeschäft noch sehr rar ist.

Einfacher wird es im Fall einer großen Dachmarke wie Red Bull, bei der der Einfluss der Fans auf die Verantwortlichen minimiert ist und der Faktor Tradition sich nicht hemmend auswirkt. Oder wie bei der City Football Group und ManCity, die alles einem einzelnen Verein unterordnet. Hier tut sich der Investor wesentlich leichter, Dinge zu vereinheitlichen und die Vorteile von Multi-Club Ownership zu nutzen. Diese Klubs haben über die Muti-Club-Ownership-Struktur einen Weg gefunden, die etablierten traditionellen Topklubs wie Real Madrid, Bayern München oder Barcelona herauszufordern und zu besiegen.

Nimmt man die aktuelle und letzte Bundesliga-Saison als Maßstab, hat Leipzig Dortmund sportlich bereits überholt. Ist Multi-Club Ownership in Zukunft also Voraussetzung, um national und international Erfolg zu haben? In einer stimmigen Verbindung zwischen Investor und der entsprechenden sportlichen Expertise hat man gegenüber solitär agierenden Vereinen einen Vorteil, keine Frage. Trotzdem gibt es immer noch zahlreiche Klubs, die ihren eigenen erfolgreichen Weg gehen.

Wie immer führen viele Wege nach Rom. Die Zukunft wird zeigen, ob es ihnen gelingt, ganz ohne Partnerklubs ihre sportlichen Ziele weiterhin zu erreichen.



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