Laura Freigang: "Müssen im Frauen-Fußball nicht mehr um Aufmerksamkeit kämpfen"
- Laura Freigang vor der Frauen-EM im Sports-Illustrated-Interview
- Nationalspielerin Freigang: "Man steht während Turnier unter extremer Anspannung"
- Freigang: "Müssen im Frauen-Fußball nicht mehr um Aufmerksamkeit kämpfen"
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Sports Illustrated: Laura Freigang, wir sprechen kurz vor der Europameisterschaft in der Schweiz – und kurz nach einer langen und erfolgreichen Saison mit Eintracht Frankfurt. Wie geht es Ihnen?
Laura Freigang: Mir geht es blendend. Ich war im Urlaub, bin ausgeruht und habe mit der EM ein absolutes Highlight, das jetzt auf mich zukommt.
Sports Illustrated: Sie spielten anhand der Zahlen die beste Spielzeit Ihrer Karriere. Wie gelingt es, sich nach einer langen Saison auszuruhen, aber gleichzeitig das positive Momentum in ein Turnier wie die EM mitzunehmen?
Freigang: Das ist ein Balanceakt, den ich jedes Jahr aufs Neue angehe. Es ist jetzt der vierte Turnier-Sommer in Folge. Das ist auf Dauer spürbar. Ich war am Ende der Saison müde – sowohl körperlich als auch mental. Deswegen hat mir der Urlaub gut getan. Ich habe die Batterien aufgeladen und denke jetzt nur noch an das Turnier.
Sports Illustrated: Verbunden mit welchen Gefühlen?
Freigang: Absolute Vorfreude. Da die EM in der direkten Umgebung von Deutschland stattfindet, können auch Familie und Freunde dabei sein. Diese Turniere sind immer Highlight-Wochen. Sie sind einschneidende Erlebnisse – sportlich als auch persönlich.

Sports Illustrated: Sie sagen es: Nach der EM 2022, der WM im darauffolgenden Jahr und den Olympischen Spielen im letzten Sommer ist es das vierte große Turnier in Folge für Sie. Wird man routinierter in seiner Herangehensweise an diese "einschneidenden Erlebnisse"?
Freigang: Man weiß mittlerweile, was einen erwarten wird. Aber das mindert die Euphorie keinesfalls. Diese Atmosphäre, diese Begeisterung, die man mit den Mitspielern, dem Trainerteam, dem Staff und mit den Fans in den Stadien spürt, ist immer einzigartig. Diese Dynamik eines Turniers finde ich immer am schönsten: Viele Spielerinnen kommen aus verschiedenen Vereinen zusammen, definieren ein gemeinsames Ziel und arbeiten zusammen hart dafür. Man kapselt sich dabei etwas von der Außenwelt ab und lebt ein bisschen wie auf dem Mars.
Sports Illustrated: Diese Großereignisse dürften aus Spielerinnen-Perspektive eine wahnsinnig intensive Zeit sein. Wie geht man mit dieser Bandbreite an Emotionen um?
Freigang: Ich habe für mich gelernt, präsent zu sein – vor allem auch in der Mannschaft. An einem Abend läuft man in einem Spiel vor knapp 30.000 Menschen auf und ein paar Stunden später sitzt man plötzlich allein im Hotelzimmer. Mir hilft es, das Erlebte zu verarbeiten, wenn ich Leute um mich herum habe, mit denen ich gerne Zeit verbringe und mit denen ich mich über diese Erfahrungen austauschen kann.
Sports Illustrated: Härtet man auch ein Stück weit ab? Dass man die Intensität nicht mehr so an sich heranlässt?
Freigang: Man steht während eines Turniers unter extremer Anspannung. Das erlaubt einem gar nicht, sich zu sehr von Emotionen mitreißen zu lassen. Ich kann mich an die EM 2022 erinnern, wo die Mannschaft sehr erfolgreich war, ich persönlich aber ein paar Momente hatte, in denen ich enttäuscht war. Das steckt man weg und muss man auch ein Stück weit. Aber klar, die Emotion spürt man trotzdem.
Sports Illustrated: Wie verarbeitet man sie also?
Freigang: Wichtig ist es, diese Gefühle nicht zu verdrängen oder sich abzukapseln, sondern sich zu öffnen und darüber zu sprechen. Es kommt natürlich darauf an, wann und auf welche Art und Weise man kommuniziert. Nach dem Spiel in der Kabine ist zum Beispiel nicht der richtige Zeitpunkt. Aber wir haben das große Glück, dass wir schon immer eine Mannschaft sind, in der man sich offen über diese Gefühle austauschen kann. Denn: Enttäuschung heißt nicht gleich Neid. Nur weil Spielerin A enttäuscht darüber ist, nicht zum Einsatz gekommen zu sein, ist sie nicht automatisch neidisch auf Mitspielerin B, die an ihrer Stelle gespielt hat. Ich glaube, wenn in einer Mannschaft und im Trainerteam genau dieser Raum für Gefühle und Verständnis entsteht, dann kommt auch jeder persönlich – nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch – gut durch das Turnier.

Sports Illustrated: Die EM wird erneut zu einer Bestandsaufnahme, wo der Frauenfußball im Jahr 2025 steht. Weiterhin wird dabei oft über fehlende Aufmerksamkeit diskutiert. Wie blicken Sie auf diese Debatte?
Freigang: Ich bin froh, dass sich die Aufmerksamkeit mittlerweile verselbstständig hat. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir im klassischen Sinne immer noch dafür "kämpfen" müssen. Das liegt vor allem auch am sportlichen Erfolg der letzten Jahre. Am einfachsten wäre es für uns und die Zukunft natürlich, wenn wir die Europameisterschaft gewinnen. Aber auch so wird der Frauenfußball immer interessanter. Und ich bin mir sicher, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, deswegen mache ich mir darüber keine Sorgen. Es ist eher die Art und Weise, wie das geschehen wird.
Sports Illustrated: Wie meinen Sie das?
Freigang: Wir leben in einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Deswegen wird es immer auch ums Geld gehen. In dieser Entwicklung sollten wir meiner Meinung nach bewusst darüber nachdenken: Wie wollen wir dargestellt werden? Was ist unsere Identität? Welche Werte tragen wir nach außen? Der Frauenfußball hat eine besondere Atmosphäre und Zielgruppe. Ich sehe viele Familien, junge Mädels, auch Jungs, die zu den Spiele kommen. Wir müssen uns bewusst machen, wen wir besonders ansprechen und wo unsere Stärken der Nahbarkeit, der Transparenz und Bodenständigkeit liegen – und diese Werte auch dann beibehalten, wenn der Sport wächst und mehr Geld im Spiel ist.
Sports Illustrated: Sie sprechen die jungen Menschen an, die zu Ihren Spielen kommen – und für die Sie oft ein Vorbild sind. Gibt es einen Spagat zwischen: "Ich möchte Vorbild sein" und "Ich möchte einfach Fußball spielen"?
Freigang: Im besten Fall geht es Hand in Hand. Es ist eine skurrile Situation, in der Öffentlichkeit zu stehen. Aber an die möchte und werde ich mich auch vermutlich nie komplett gewöhnen. Deswegen versuche ich einfach ein guter Mensch zu sein, gute Dinge zu tun und für meine Werte einzustehen – sowohl in meinem privaten Umfeld, als auch in der Öffentlichkeit. Ich bin mir meiner Rolle bewusst und auch der Aufmerksamkeit und Verantwortung, die ich habe. Aber ich versuche, die Dinge, die ich tue, deshalb nicht groß anders zu machen. Das fällt mir aktuell auch nicht schwer.
Sports Illustrated: Abschließend: Wir treffen Sie hier zum Launch der neuen "Never Stop Growing"-Initiative von Lidl im Rahmen der EM. Neben der Förderung von Frauen im Sport ist Ernährung einer der Hauptaspekte der Kampagne. Seit wann setzen Sie sich damit bewusst auseinander?
Freigang: Schon seit der Pubertät. Gerade als Frau verändert sich der Körper und der Hormonhaushalt während dieser Zeit sehr stark. Da das auch Auswirkungen auf meinen Leistungssport hatte, begann ich damals, mich intensiver mit Ernährung auseinanderzusetzen. Auch in den Jugend-Nationalmannschaften wurden wir beim DFB geschult. Und: Meine Mutter hat mir viel mitgegeben.

Sports Illustrated: Aus Ihrer Erfahrung und hinsichtlich der Lidl-Initiative: Wie viel Aufklärung braucht es beim Thema bewusste Ernährung im Sport, speziell im Frauenfußball?
Freigang: Als Leistungssportlerin, die gefördert wurde, hatte ich natürlich sehr viele Berührungspunkte und konnte viel lernen. Ich bin mir aber bewusst, dass nicht jeder dieses Privileg hat. Gerade auch als Frau hat Ernährung einen besonderen Stellenwert. Deswegen finde ich es einfach schön, dass dem Thema eine Plattform gegeben wird – und der Anlass zur Frauen-EM könnte nicht besser passen.
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