Fußball-EM Frauen

Ann-Kathrin Berger vor Frauen-EM: "Meine Geschichte ist kein Märchen"

Ann-Kathrin Bergers Karriere ist einzigartig, ihr Durchhaltevermögen beeindruckend – und ihr Umgang mit den Schicksalsschlägen des Lebens inspirierend. Trotzdem: Ein Märchen ist es für die Nationaltorhüterin nicht. So wurde die 34-Jährige zu Deutschlands Nummer eins. 

Hannover , Fußball Länderspiel Frauen Deutschland vs. Österreich , Torwart Ann-Kathrin Berger (Deutschland)
Credit: Imago

Wenn man an herausragende Karrieren denkt, dann oft an junge Talente, denen schon früh die Fußballwelt zu Füßen liegt. Bei Ann-Katrin Berger ist das anders. Ihre Geschichte ist nicht die einer Senkrechtstarterin – sondern die von einem langen und steinigen Weg. Und davon, wie sich Qualität, Charakter und Resilienz am Ende doch durchsetzen.

Im Frühjahr 2025 ist es offiziell: Bundestrainer Christian Wück benennt Berger als Stammtorhüterin für die Frauen-EM in der Schweiz. Für die 34-Jährige ist es ein spätes Karrierehoch. Über Jahre hinweg war sie die Nummer zwei im deutschen Tor. Erst mit 30 Jahren machte sie 2020 ihr erstes Länderspiel, als zweitälteste Torwart-Debütantin der DFB-Geschichte. Berger nahm ihre Rolle stets klaglos und professionell an, stellte sich immer in den Dienst der Mannschaft – die Mannschaft, die sie als stille Leaderin zwischen den Pfosten in diesem Sommer zum EM-Titel führen will.

Ann-Kathrin Berger: Deswegen wurde sie erst spät zur deutschen Nummer eins

Die gebürtige Göppingerin bringt alles mit, was eine moderne Torhüterin braucht: starke Reflexe, ruhiges Aufbauspiel, souveränes Verhalten in Drucksituationen. In der US-Profiliga mit NJ/NY Gotham FC gehörte sie zuletzt zu den Besten ihrer Zunft. Auch im Nationaltrikot hat sie trotz jahrelangem Nummer-zwei-Status ihre Klasse mehrfach bewiesen – besonders bei den Olympischen Spielen 2024, wo sie im Spiel um Bronze in der Nachspielzeit einen Elfmeter parierte und dem Team so die Medaille rettete.

Das erste Mal geriet Berger 2012 in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit, als sie mit Turbine Potsdam die deutsche Meisterschaft gewann. Zwei Jahre später dann der Schritt nach Frankreich zu Paris Saint-Germain – und weg aus der Aufmerksamkeit in ihrem Heimatland. In Frankreich hob Berger ihr Spiel auf ein neues Level, steigerte sich vor allem mit dem Ball am Fuß und gewann zweimal die Vize-Meisterschaft. In Deutschland sprach trotzdem kaum jemand über sie.

Das sollte sich auch nicht ändern, als Berger 2016 nach England wechselte. Erst zu Birmingham FC und zwei Jahre später zum FC Chelsea. Mit den Blues gewann sie zweimal das Double, zeigte im Kasten teils irrwitzige Leistungen. „Als ich in England war, haben mich die Leute dort gefeiert“, erklärte die Torhüterin in einem Interview, „aber ich hatte die internationale Bühne nicht, auf der ich allen zeigen hätte können, was ich draufhabe.“ Die erhält sie erst bei Olympia 2024 – mit jahrelanger Verzögerung.

Ann-Kathrin Berger: Nationaltorhüterin besiegte zweimal den Krebs

Zudem erhielt Berger 2017 die Diagnose Schilddrüsenkrebs. Sie kämpfte sich zurück, wurde 2022 erneut krank, kam wieder – und ging offen mit dem um, was viele verborgen hätten. Ihr Umgang mit Rückschlägen beeindruckt nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. „Ich hätte das Ausmaß der Krankheit auch für mich behalten können“, sagte sie einmal. Tat sie aber nicht. Auch deshalb gilt sie heute als Vorbild – für Mitspielerinnen ebenso wie für Fans.

Und trotzdem will Berger nicht, dass ihre Geschichte als Märchen bezeichnet wird. Denn: „Ein Märchen findet in der Fantasie statt.“ Auf dem Platz ist sie verlässlich, abseits davon nahbar und reflektiert. Sie engagiert sich für junge Talente und steht als offen lesbische Sportlerin für Vielfalt und Toleranz im Fußball. Seit 2024 ist sie mit ihrer amerikanischen Mitspielerin Jessica Carter verlobt.

Bundestrainer Wück setzt für das deutsche Tor bei der EM auf Bergers Erfahrung. „Ann-Katrin strahlt Sicherheit aus“, sagt der Bundestrainer. Berger kommuniziert ruhig, klar, führt mit Taten statt Worten. Ihre Auftritte beim Turnier werden keine Selbstinszenierung, kein Showauftritt. Sondern der stille Beweis, dass man mit Disziplin, Konstanz und Haltung auch dann noch auf höchstem Niveau ankommt, wenn andere längst aufgehört haben zu träumen. Berger verkörpert das, was im modernen Fußball oft verloren geht: Geduld. Und sie zeigt, dass sich Durchhaltevermögen lohnt – auf und abseits des Rasens.



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