Fußball-Experte im Interview

Ramazan Yildirim: "Magath merkt sofort, ob Fleiß und Qualität in der Arbeit stecken"

Ramazan Yildirim ist kein Mann der lauten, sondern feinen Töne. Seine Stärken sind neben Erfahrung und Kompetenz, Akribie und Gespür. Bei Sports Illustrated spricht er über das Comeback von Trainer-Legende Felix Magath, Trainer-Scouting und Matthias Sammer.

Felix Magath (Hertha BSC)
Credit: Imago
  • Felix Magath ist intelligent, verlässlich, direkt und ehrlich
  • Ramazan Yildirim hat Note 1,3 im Trainerlehrgang wie Julian Nagelsmann
  • Yildirim: "Der Trainer ist der wichtigste Angestellte im Verein"

Fußball-Experte Ramazan Yildirim kennt sich im deutschen Fußball bestens aus. Der Ex-Sportdirektor von Greuther Fürth analysiert die Verpflichtung von Felix Magath als Hertha-Trainer, spricht über das Trainer-Scouting und eine Aussage von Matthias Sammer.

Sports Illustrated: Als Hertha BSC bekannt gab, dass Felix Magath neuer Cheftrainer wird, waren Sie…

Ramazan Yildirim: …erfreut und zugleich fühlte ich mich daran bestätigt, dass Fredi Bobic, sich auch in dieser Extrem-Situation für ihn nicht nur auf seine unglaubliche Erfahrung als Spieler oder Manager, sondern auch auf seine Menschenkenntnis verlassen hat. 

Sports Illustrated: Das müssen Sie uns bitte erklären?

Yildirim: Felix Magath ist ein sehr intelligenter Mensch, der immer verlässlich, direkt und ehrlich ist. Die öffentliche Betrachtung über ihn ist oftmals oberflächlich. Sie kennen die Begrifflichkeiten wie "Schleifer" oder "Quälix". Aber mit seinen Methoden und Ansprüchen hat er Vereine und Spieler zu großen Erfolgen geführt. Sicherlich, und das ist auch unbestritten, gibt es die unterschiedlichsten Herangehensweisen für Themen oder Aufgaben. Fakt ist: Felix hat mit seiner Überzeugung Erfolge gefeiert, was großen Respekt verdient. Seine Forderungen an seine jeweilige Mannschaft sind nichts anderes als die Grundtugenden, die Voraussetzungen, die ein jeder Leistungssportler mitbringen sollte – sogar muss. All diese Eigenschaften waren Fredi als jahrelanger Wegbegleiter bekannt und seine Analyse muss ergeben haben, dass Felix Magath exakt jetzt die richtige und beste Entscheidung für Hertha BSC ist. 

Sports Illustrated: Nehmen Sie uns mit auf die Reise. Wie sieht eine Zusammenarbeit mit Felix Magath aus? 

Yildirim: Absolut professionell. Wir hatten jeden Tag Kontakt. Gemeinsam haben wir die nächsten Schritte und die Schritte danach besprochen und vorbereitet. Er merkt sofort, ob Fleiß und Qualität in der Arbeit stecken. Wenn das so ist, gibt es jede Unterstützung und viel Vertrauen von ihm. Etwas vormachen kann man ihm nicht. Er ist sehr schnell im Kopf. Mit ihm kann man super im Team arbeiten. Felix Magath ist ein Teamplayer. Auch wenn das viele nicht hören oder lesen wollen. Nur fordert er halt auch jenes, was er für sich auch täglich einfordert. Respekt, Demut, Ehrgeiz, Leidenschaft und Engagement.

Sports Illustrated: Aber Felix Magath ist doch eher "old school", oder?

Yildirim (lacht): Dann habe ich mit einem anderen Felix Magath zusammengearbeitet. Ich habe einen Felix Magath kennengelernt, der mit der Zeit gegangen ist und weiterhin geht, der innovativ, der neugierig und wissbegierig auf Neues ist, der verlässlich und vor allem ein sehr feinfühliger Mensch ist. Sind Sie jetzt sprachlos?

Sports Illustrated: Nein, aber ehrlich gesagt überrascht. 

Yildirim: Ich war noch nicht fertig, weil ich noch ein Geheimnis für Sie habe. Thema "old school". Technisch ist er auf dem neuesten Stand – auch wenn er das öffentlich nicht jedem auf die Nase bindet. Er ist und bleibt in diesem Bereich ein absoluter Top-Profi und ein bisschen ein Zocker, der sich nicht in die Karte schauen lässt. WhatsApp Video-Calls, Zoom, Teams, Messanger, LinkedIn, Facetime – das alles kennt er. Er hat ja auch Kinder (Leonard, 22; Raffael 20, Chiara, 18; Anm.d.Red.) in dem entsprechenden Alter…(lacht). 

Sports Illustrated: Wenn man sich mit Ihnen beschäftigt, fällt auf, dass Sie selbst mit 46 Jahren schon unglaublich viel Erfahrung in verschiedenen Positionen gesammelt haben. Stimmt es, dass Sie die gleiche Abschlussnote wie Julian Nagelsmann (1,3) bei der Prüfung zum Fußballlehrer hatten? 

Yildirim: Ja, das ist richtig. In mir steckt der ständige Drang, jeden Tag besser zu werden, meinen Horizont und mein Wissen zu erweitern. Durch die verschiedenen Perspektiven kann ich Quervergleiche ziehen und mich in die Lage meines Gegenübers versetzen. Das zu können, ist sowohl im Fußball als auch im Leben wichtig. Das Interesse an dem Menschen, dem ich begegne, war und ist für mich das Wichtigste. 

Sports Illustrated: In Ihrer Zeit als Sportdirektor bei der SpVgg Greuther Fürth haben Sie fünf Spieler geformt, die in der Aufstiegsmannschaft standen. Wie sehr freuen Sie sich rückblickend über die Transfers und Entwicklungen von Burchert, Raum, Green, Bauer und Ernst?

Yildirim: Jeder Transfer hat seine eigene Geschichte. Für den Verein hat mich der Aufstieg sehr gefreut und bedeutet die Erhöhung des Eigenkapitals, was für die nächsten Jahre auch Sicherheit bringt. Helmut Hack hat den Verein perfekt aufgestellt und von seiner jahrelangen Arbeit werden die handelnden Personen lange profitieren. Ein Lebenswerk. Bevor ich Sportdirektor wurde, habe ich den damaligen Trainer Frank Kramer, den ich bis heute sehr schätze, mit Spielanalysen unterstützt. Darauf ist Helmut Hack aufmerksam geworden und wollte mich treffen. Er hat mir die Augen für den Perspektivwechsel vom Trainer zum Sportdirektor geöffnet.  

Ramazan Yildirim
Ramazan Yildirim
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Sports Illustrated: Mathias Sammer hat mal vor einigen Jahren gefordert, dass auch Sportdirektoren die Ausbildung zum Fußballlehrer machen sollten. Hat Sammer recht?

Yildirim: Mathias Sammer würde ich nie widersprechen. Seine Kompetenz, seine Erfahrung und sein Gespür für die jeweiligen Situationen sind einzigartig. Die höchstmögliche Qualifikation und die Erfahrung ist entscheidend, wenn man im Spitzenbereich arbeiten möchte. Zudem brauchen die Trainer den Austausch auf Augenhöhe. Dieser muss inhaltlich detailliert, kompetent und vertraulich sein, damit eine Kraft entstehen kann.

Sports Illustrated: Wie wichtig ist das Thema Trainer-Scouting und nach welchen Kriterien wird entscheiden?

Yildirim: Der Trainer ist der wichtigste Angestellte im Verein und somit der Schlüssel zu einer erfolgreichen Saison. Er sollte von seiner Führungs- und Fachkompetenz, mit seiner Persönlichkeit und seinen Werten zum Verein passen. Daher ist ein Scouting für Trainer unabdingbar. Frühzeitig und über einen längeren Zeitraum sollte gesichtet werden. In persönlichen Gesprächen über Spielidee, Arbeitsweise und Ziele kann und muss sich der Verein auf bestimmte Situationen vorbereiten. Letztlich bestimmt die jeweilige Situation das Profil des Trainers, wenn eine Veränderung nötig ist. 

Sports Illustrated: Als Sportdirektor kennen Sie den Trainermarkt…

Yildirim: Das gehört zu meinem Job und die Analyse der verschiedenen Trainertypen macht mir großen Spaß. Gerade jetzt kann ich viele Gespräche führen und mir einen Eindruck holen – vom Trainer und vor allem vom Menschen, der hinter dem Trainer steckt. Mir kommt es zugute, dass ich auch wie ein Trainer denken kann. Hier suche ich aktiv den Kontakt oder werde von den Trainern angerufen.

Sports Illustrated: Sie haben oft erwähnt, dass das Innenleben und die Organisation in einem Verein wesentlich sind. Wie gehen Sie als Führungskraft hier vor?

Yildirim: Klarheit und Menschlichkeit sind hier gefragt. Die Arbeitsläufe und die Verantwortlichkeiten müssen geklärt sein. Natürlich gibt es Schnittstellen, welche gemeinsam besprochen und aufeinander abgestimmt werden. Zum Innenleben eines Klubs gehören für mich auch neben der Frage, wie gehen wir miteinander um, auch eine Wertetabelle. Das große Ganze muss stimmen und klar sein, erst anschließend kann man sich in die Details begeben. Funktioniert die Zusammenarbeit, kann Vertrauen entstehen. Und wenn Vertrauen vorhanden ist, kann eigenständig gearbeitet werden und jede Herausforderung wird gemeinsam bewältigt. Das sollte der Anspruch sein.

Sports Illustrated: Wir wissen, dass Bundesligisten an Ihnen interessiert sind. Mit wem haben Sie zuletzt gesprochen und wann kehren Sie auf die Bühne Bundesliga zurück?

Yildirim: Diese Gespräche sind stets und höchst vertraulich und werden von mir auch niemals kommentiert. Das werden Sie sicherlich verstehen. Eines kann ich Ihnen aber verraten: Ich befinde mich in guten Gesprächen und wenn alles passt, werden wir uns bald wieder in der Bundesliga sehen.

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