1. Bundesliga

Michael Ballack: "Mané nochmal fragen, warum er die Premier League verlassen hat"

DAZN-Experte Michael Ballack spricht im Rahmen eines Roundtable-Gesprächs über den FC Bayern, die Neuverpflichtungen Sadio Mané und Matthjis de Ligt, die 50+1-Regel sowie die deutsche Nationalmannschaft mit Hansi Flick und Timo Werner. 

DAZN-Experte Michael Ballack
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Der FC Bayern hat sich diesen Sommer mit Sadio Mané und Matthijs de Ligt verstärkt. Sind die Münchner mit diesen beiden Spielern international konkurrenzfähig?

Michael Ballack: Hasan Salihamidzic hat sich in diesem Sommer in der komfortablen Situation als Sportdirektor befunden, dass er Geld ausgeben darf, um es bestmöglich zu investieren für den Verein. Wenn man das nötige Budget hat, kann man sich ganz oben rantasten. Das hat geklappt mit Mané und de Ligt. Auf dem Papier hat der FC Bayern seine Abgänge kompensiert. Jetzt gilt es, die Neueinkäufe zu integrieren. Für die Bayern ist die Meisterschaft immer das Ziel, aber die Champions League ist der Gradmesser. In den letzten zwei Jahren waren sie nicht mehr ganz oben dran. Die Stabilität und die Kontinuität waren mit dem Viertelfinale und dem Halbfinale aber weiterhin da. Es ist völlig normal, das ist bei Real Madrid so und bei jedem anderen Verein, der die Champions League gewonnen hat. Für Bayern ist es wichtig, dass sie langfristig gut aufgestellt sind. Das haben sie mit den Einkäufen geschafft.

Mit Matthijs de Ligt hat Bayern seine Abwehr gestärkt. Wieviel Zeit benötigt das Team, um die neuen Spieler zu integrieren?

Ballack: Wenn man zurückblickt, war Bayern mit einer Viererkette immer am erfolgreichsten. Seit Julian Nagelsmann da ist, hat er die Abwehr auch mal auf eine Dreierkette umgestellt, wie in seiner Zeit bei Leipzig. Aber ich denke, dass Bayern weiter auf die Viererkette setzt. Letztendlich hat man als Trainer immer eine Idealvorstellung, welches System man präferiert. Beim FC Bayern hat Nagelsmann einen Spielerkader, mit dem man alles spielen kann. Wenn man sich die Neuverpflichtungen anschaut, dann ist das interessant. Julian Nagelsmann wird daran gemessen werden, ob er mit der Mannschaft und der Qualität das bestmögliche System findet. Es geht nicht nur darum, Deutscher Meister zu werden. Da hat der FC Bayern auch intern andere Ansprüche immer wieder an sich selbst. Das ist auch gut so, sonst wäre Bayern nicht so erfolgreich. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge haben immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und frühzeitig erkannt, wenn es Tendenzen gab, die nicht so gut sind. Das war immer die Stärke des FC Bayern. Die Frage ist, welche Art Fußball will der FC Bayern spielen. Da gilt es in den nächsten zwei, drei Jahren genau reinzuhorchen in das Gebilde Trainer und Mannschaft, um das Optimum rauszuholen."

Welche Rolle wird Sadio Mané spielen?

Ballack: Mit Mané hat Bayern vorne einen Spieler, der anders ist als Robert Lewandowski, der die Bälle festmachen und alle anderen ins Spiel bringen kann, wenn sie nachrücken. Mané ist ein anderer Spielertyp, aber er kann das auch. Er ist nicht so wuchtig. Ich denke, dass er sich im Angriff gut zurechtfindet. Im Champions-League-Endspiel mit Liverpool hat er das gut gemacht und war sehr stark.

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Hat die Bundesliga mit den neuen Spielern an Attraktivität gewonnen?

Ballack: Die Bundesliga hat mit Mané, di Ligt und Mario Götze einige Stars zurückbekommen. Mit Lewandowski hat Bayern einen wichtigen Spieler verloren. Aber ich denke, Bayern hat alles richtig gemacht und wirtschaftlich gedacht. Für Lewandowski ist der FC Barcelona noch einmal etwas anderes nach den vielen Jahren beim FC Bayern. Bei de Ligt muss man ein bisschen abwarten. Er war bei Juventus Turin nicht unumstritten. Von den Leistungen her ist er noch nicht der Spieler, der vielleicht dieses Weltstar-Prädikat mitbringt. Da wäre ich vorsichtig. So weit ist er noch nicht. Erling Haaland ist ein Spieler, der auf einem absolut aufsteigenden Ast ist und den eigentlich jeder Verein wollte. Er ist neben Kylian Mbappé vielleicht der umworbenste Spieler, weil er jung ist und weil er ein Spielertyp ist, den es so ansonsten nicht gibt. Bei Mané müsste man ihn in einem persönlichen Interview noch einmal fragen, was ihn dazu bewogen hat, die Premier League zu verlassen. Das ist auf dem Papier ein Schritt in eine Liga, die nicht die Nummer eins in Europa ist. Er ist ein super Spieler, was für die Bundesliga gut ist. Aber wir verlieren eben auch zwei absolute Topstars mit Haaland und Lewandowski.

Ist der Wechsel von Lewandowski ein Schritt in eine größere Liga und zu einem besseren Verein?

Ballack: Ob der FC Barcelona ein größerer Verein als Bayern ist, will ich gar nicht bewerten. Aber natürlich ist der Wechsel kein Rückschritt für Lewandowski. Barcelona hat mindestens genauso eine Historie wie der FC Bayern. In Spanien zu spielen ist super attraktiv neben der Premier League. Wohin willst du dann noch hin wechseln. Der FC Barcelona ist natürlich immer ganz weit vorne als Traumverein, weil er auch diese Internationalität mitbringt. Deshalb ist es für ihn ein super Transfer.

Der Abschied von Lewandowksi verlief nicht ohne Störgeräusche. Warum schafft es der FC Bayern nicht, verdiente Spieler angemessen zu verabschieden?

Ballack: Ich finde das ganz normal. Wenn du viele Topstars hast, da gibt es halt ein paar, die sich nach vielen Jahren im Verein, noch einmal anders entscheiden. Der Beruf als Fußballer ist zeitlich limitiert über zehn, fünfzehn Jahre. Wahrscheinlich über zehn Jahre auf absolutem Topniveau. Für einige sogar weniger. Wenn wir jetzt Lewandowski oder David Alaba nehmen, können sie sich aufgrund ihrer Klasse natürlich raussuchen, zu welchem Verein sie gehen wollen. Sie haben dann auch die Entspanntheit mit dem Verein zu verhandeln. Das ist am Ende immer eine Art Poker. Da ist es völlig legitim, dass die Spieler das auch versuchen. Aber es ist dann eben an den Protagonisten des FC Bayern, sprich des Managements, auch auf einer empathischen Ebene, einer zwischenmenschlichen Ebene solche Spieler zu greifen. Das hat vorher bei vielen Spielern funktioniert. Aber bei dem einen oder anderen Spieler klappt’s halt mal nicht. Ich habe mich damals auch anders entschieden. Toni Kroos ist auch weggegangen. Das gibt es immer mal wieder. Das finde ich nicht schlimm. Auch, dass der FC Bayern akzeptiert, dass sich ein Spieler vom FC Bayern wegbewegt, denn es gibt nicht nur den FC Bayern in Europa und auf der Welt. Es gibt auch noch ein paar andere Topvereine. Das ist ein ganz normaler Prozess.

DAZN-Experte Michael Ballack
DAZN-Experte Michael Ballack
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Hätte man den Abgang von Lewandowski trotzdem besser moderieren können?

Ballack: Wenn man zurückblickt, hat Lewandowski immer wieder mit einem Wechsel kokettiert. Das gab es schon öfters. Jetzt war die vertragliche Situation so, dass der FC Bayern wusste, dass es nur noch ein Jahr ist. Entweder hätte man sich früher damit beschäftigen müssen oder vielleicht hat man auch gesehen, dass Bayern hier an seine Grenzen stößt. Lewandowski wollte gerne noch einmal etwas anderes machen. Dann ist das in Ordnung. So ist das Geschäft. Auf so einem Niveau ist das meistens nicht harmonisch möglich, weil beide Seiten so verbissen um ihre Positionen kämpfen. Lewandowski musste seine Position richtig nachhaltig und auch in einer gewissen Härte kommunizieren, sonst wäre der Wechsel nicht zustande gekommen. Er weiß das genau und sein Management, deshalb kommt es manchmal so wie es passiert ist. Je besser der Spieler ist, umso schwieriger wird es, eine harmonische Trennung zu erzielen. Aber menschlich und verbal sollte man immer in einem Rahmen bleiben.

Der FC Bayern ist zehnmal hintereinander Deutscher Meister geworden. Würde die Aufweichung von 50+1 die Bundesliga wieder spannender machen?

Ballack: Wenn ich das auflöse, verändere ich die Wirtschaftlichkeit der Klubs und stelle Konkurrenz her. Der FC Bayern hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gut gearbeitet und hat sich die Situation geschaffen, die es nun gibt, mit zehn Meisterschaften in Folge. Ich glaube, in München wäre man trotzdem offen für neue Investorenmodelle. In Deutschland haben die Traditionalisten ein großes Mitspracherecht, trotzdem ist Wettbewerb wichtig, um ein Produkt spannend und attraktiv zu machen. Es sollte immer gewährleistet sein, dass der Schwächere den Stärkeren schlägt. Playoffs um Meisterschaft oder Abstieg erachte ich als eine weitere Alternative, die man diskutieren sollte.

In diesem Jahr steht die Fußball-WM in Katar an. Wie bewerten Sie die Arbeit von Hansi Flick?

Ballack: Hansi Flick hat viele Vorschusslorbeeren gehabt, weil er beim FC Bayern viele Erfolge gefeiert hat. Somit hatte er sofort die öffentliche Rückendeckung. Mit seiner Persönlichkeit ist er eine sehr gute Lösung nach der nicht so optimalen Entwicklung in der deutschen Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren. Die Ergebnisse und die Leistungen waren teilweise durchwachsen, aber Flick hat durch seine Art wieder Ruhe reingebracht. Jetzt geht es darum, wie sich die deutsche Nationalmannschaft entwickelt. Der Anspruch ist hoch, weil die Spieler außerordentlich talentiert sind. Flick muss jetzt die nötige Mentalität in die Mannschaft, die es braucht, um bei der WM ganz oben anzugreifen. Das braucht Zeit und ist die Aufgabe, der er sich nun verschreiben muss mit Blick auf den Winter.“

Wie kann Hansi Flick dieses Ziel erreichen?

Ballack: Er kann sich seine Mannschaft zusammenstellen. Er sieht die Spieler in der Bundesliga oder den anderen Ligen. Bei vermeintlichen Schwachstellen kann er ergänzen oder andere Spieler holen, die das Defizit, was wir auf der einen oder anderen Position haben, ausmerzen. Daran wird seine Arbeit gemessen werden.

Wird Timo Werner zur Stammelf gehören?

Ballack: Timo war schon einmal weiter, als er momentan ist. Da sprechen wir über Persönlichkeit und Charakter. Den Schritt nach Chelsea zu gehen, mit dem Wissen, welches Umfeld ihn erwartet, war mutig. Er hat es noch nicht geschafft, sich durchzusetzen. Ihm fehlt die nötige Ellbogenmentalität. Er muss seinen eigenen Anspruch noch mehr nach außen tragen. Da hat Timo aus meiner Sicht in der Vergangenheit einige Fehler gemacht. Er war in der Nationalmannschaft nah dran, der unumstrittene Stürmer zu sein. Das ist er meines Erachtens nicht mehr, die Position hat er verloren. Jetzt gilt es für ihn, die mentale Stärke wieder aufzubauen. Das gilt bei Chelsea wie im DFB-Team – mir fehlt die Ellbogenmentalität, er ist mir derzeit zu brav und ergibt sich seinem Schicksal. Timo ist ein netter Kerl, aber wenn sich das nicht ändert, wird er es weiter schwer haben.

DAZN-Experte Michael Ballack im Gespräch
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