Frage an den Trainer

Manuel Baum: Wie wichtig ist Mentalität – und was bedeutet sie überhaupt?

Manuel Baum ist Unternehmer, Fußball-Experte und war Bundesliga-Coach beim FC Schalke 04 sowie dem FC Augsburg. In seiner Sports-Illustrated-Kolumne blickt er auf das Thema Mentalität und die Fehler, die im deutschen Nachwuchs gemacht werden.

Manuel Baum
Credit: Imago
  • Manuel Baum spricht in Sports-Illustrated-Kolumne über Mentalität
  • Felix Magath: "Für mich schlägt Mentalität Talent"
  • Baum: "Junge Spieler müssen wieder Strategien entwickeln"

Mats Hummels sagte einmal: "Mentalität ist der kleine Bruder des Stellungsfehlers." Und in der "Zeit" hieß es über Felix Magath, dass die Einstellung für ihn oberstes Kriterium bei der Verpflich­tung eines Spielers sei: "Für mich schlägt Mentalität Talent. Nur wenn man mit großem Willen rangeht, setzt man sich durch."

Mentalität: Der Begriff fällt im Fußball immer wieder. Dabei ist das Thema für viele nicht so richtig greifbar. In der Bundesliga gibt es Mannschaften, die für eine sehr gute Mentalität stehen – etwa Union Berlin und der SC Freiburg. Mannschaften, denen Mentalität in der vergangenen Saison immer wieder abgesprochen wurde, waren Hertha, Gladbach und Dortmund. Doch: Was ist Mentalität überhaupt, was meint man damit? Und kann man sie entwickeln?

Mentalität bezieht man entweder aufs ganze Team (selten) oder auf einzelne Spieler (meistens). Laut Sportpsycho­login Frauke Wilhelm muss man bei der Frage der Entwicklung von Mentalität zwei Begriffe unterscheiden: Persön­lichkeitseigenschaften und Verhaltens­weisen. Die Eigenschaften, die der Per­sönlichkeit zugeordnet sind, sind eher überdauernd und schlecht veränderbar. Verhaltensweisen wiederum sind er­lernbar.

Thomas Müller, Manuel Neuer und Joshua Kimmich sind Mentalitätsspieler

Bei der Kaderzusammenstellung gilt es deshalb, nicht nur auf fußballspe­zifische Kriterien zu achten, sondern auch auf Persönlichkeitseigenschaften der Spieler. Als Trainer muss man sich fragen: Wie kann ich Verhaltensweisen durch gezielte Maßnahmen bei Spielern entwickeln? Mit Mentalitätsspielern verbindet man Begriffe wie Widerstandsfähigkeit, Mut, Teamfähigkeit, Stressresistenz.

Beim FC Bayern sticht Thomas Müller als Menta­litätsspieler heraus, ebenso Manuel Neu­er und Joshua Kimmich. Diese Spieler versuchen, jederzeit an ihre Leistungsgrenze zu gehen, und übernehmen in schwierigen Situationen Verantwortung. Auch außerhalb des Platzes versuchen sie, die Mannschaft zu führen, und sind häu­fig der verlängerte Arm des Trainers.

Mit Blick auf Superstars wie Ronaldo und Messi stellt man fest, dass es oft solche Spieler sind, die den Erfolgsfaktor Men­talität mitbringen – weil sie in jungen Jahren Hindernisse überwinden mussten. Immer wieder hören wir, dass uns Füh­rungsspieler fehlen – doch dieser Miss­stand ist auch eigenverschuldet. Früher war es so: Wenn es Widerstände gab, wurde man damit alleingelassen, sie zu überwinden.

Nach­wuchsspieler lernen nicht mehr, sich zurückzukämpfen

Jetzt geht man im Nach­wuchsfußball in die andere Richtung, indem man Tabellen oder Platzierungen bei Turnieren abschafft. So werden von vornherein die Widerstände aus dem Weg geräumt. Wenn jeder die gleiche Spielzeit bekommt, lernt man nicht mehr, sich zu­rückzukämpfen. Der Königsweg wäre, diese Widerstände bestehen zu lassen und Spieler um diese Widerstände herum zu begleiten. Damit sie selbst Strategien entwickeln können, um diese Hinder­nisse zu überwinden.

Das ist nicht nur für den Sport, sondern für das ganze Le­ben wichtig. Die Folge ist, dass das Thema Mentali­tät im Fußball noch viel dominanter wird – wenn wir noch länger die Eigenschaf­ten und Verhaltensweisen, die dazugehö­ren, nicht ausreichend entwickeln. 

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