NFL-Star Amon-Ra St. Brown: "Jetzt sind wir Super-Bowl-Anwärter"
- Amon-Ra St. Brown im exklusiven Sports-Illustrated-Interview
- NFL-Star St. Brown über seinen Namen, den Super Bowl und seine Jugend
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Sports Illustrated: Lassen Sie uns – ganz undeutsch – zuerst einmal über Geld reden. Die Detroit Lions haben Ihre unglaubliche NFL-Saison mit einem Megavertrag über vier Jahre und 120 Millionen Dollar honoriert. Was bedeutet Ihnen mehr: das Geld oder die Anerkennung, die mit dem Vertrag einhergeht? Sie waren zum Zeitpunkt des Abschlusses der bestbezahlte Wide Receiver der NFL.
Amon-Ra St. Brown: Beides ist wichtig, würde ich sagen. Auf der einen Seite bin ich sehr dankbar, dass mir die Lions-Organisation mit dem Vertrag gezeigt hat, wie wichtig ich für sie bin – und auf der anderen Seite ist es schön zu wissen, dass man sich finanziell keine Sorgen machen muss. Ich habe ein gutes Team um mich versammelt, mit dem ich gemeinsam entscheide, wie ich das Geld investiere.
Sports Illustrated: Sie sind mit diesem Vertrag der bestbezahlte deutsche Sportler nach NBA-Star Franz Wagner, der bei Orlando Magic 224 Millionen Dollar für fünf Jahre kassiert. Machen einen diese Summen manchmal fast kirre?
St. Brown: Nein, das macht mich nicht schwindelig im Kopf. Es ist ja nicht so, dass man das Geld auf einmal bekommt, das ist ja über den Zeitraum des Vertrags ausgelegt.
Sports Illustrated: 2021 wurden 16 Receiver vor Ihnen gedraftet, bevor sich die Lions in der vierten Runde Ihre Dienste sicherten. Wie sehr motiviert es Sie noch, dass man damals 16 Spielern auf Ihrer Position mehr zugetraut hat?
St. Brown: Ich werde die 16 Namen wohl nie vergessen, aber sie sind nicht mehr in meinem Kopf – anders als früher. Sie sind keine Motivation mehr. Was mich jetzt antreibt, ist das, was ich mit dem Team erreichen will. Wir waren noch nie im Super Bowl. Da will ich hin – und auch das Team will das unbedingt schaffen.
Sports Illustrated: Ihr physischer Spielstil passt sehr gut zu Detroit, das ja eine harte Arbeiterstadt ist.
St. Brown: So habe ich bereits in der Highschool gespielt, und ja, mein Stil passt gut in die Arbeiterstadt Detroit. Es ist hier ganz anders als etwa in Los Angeles, wo die Leute immer Sonne und Strand haben und dementsprechend stets gut drauf sind. Im Winter ist Detroit richtig kalt – und dunkel. Die Leute hier arbeiten hart und haben es nicht immer leicht. Wir als Team haben diese Einstellung übernommen. Wir waren immer das schlechteste Team in der gesamten NFL, haben aber stets hart gearbeitet und gekämpft. Jetzt sind wir Super-Bowl-Anwärter.
Sports Illustrated: Wie wichtig ist in dem Zusammenhang Headcoach Dan Campbell, der einen sehr aggressiven, riskanten Coaching-Style pflegt?
St. Brown: Campbell ist perfekt für Detroit. Sein Stil und seine Art zu coachen haben uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind. Für die Detroiter ist Dan ein Held.
Sports Illustrated: Campbell führte die Lions, die es 32 Jahre lang nicht in die Playoffs geschafft hatten, bis ins NFC-Championship-Game gegen die San Francisco 49ers. Können Sie die Euphorie, die in Detroit herrschte, beschreiben?
St. Brown: Die Stadt war ja mit dem NHL-Team Detroit Red Wings und dem NBA-Verein Detroit Pistons lange Zeit erfolgsverwöhnt. Ich glaube, die Lions sind etwas ganz Besonderes für die Stadt Detroit – anders als die Pistons oder Red Wings. Ich habe so eine Euphorie noch nie erlebt. Absolut jeder, dem man in der Stadt begegnet ist, war voller Begeisterung. Es war toll.
Sports Illustrated: Umso herzzerreißender war die Niederlage gegen die 49ers, als die Lions zur Halbzeit 24:7 führten, am Ende aber 31:34 verloren.
St. Brown: Das war für einige Tage richtig, richtig hart, keine Frage.
Sports Illustrated: Jetzt steht die neue Saison an, wie sehen Ihre Ziele aus?
St. Brown: Die teile ich niemandem mit, die sind nur für mich bestimmt. Ich schreibe sie zu Beginn der Saison in mein Notizbuch – und lese sie dann während der Saison immer wieder.
Sports Illustrated: Und die Ziele der Lions?
St. Brown: Das Ziel ist, die Division zu gewinnen, dann alle Playoff-Games in Detroit zu spielen – und am Ende den Super Bowl zu holen.
Sports Illustrated: Football wird auch in Deutschland immer populärer. Wäre es für Sie ein Traum, eines Tages hier zu spielen?
St. Brown: Das wäre super! Die Lions haben dieses Jahr die Marketing-Rechte für Deutschland erworben, daher dachte ich, dass es schon jetzt klappen könnte. Es kam dann aber anders. Ich hoffe sehr, dass es nächstes Jahr so weit ist.
Sports Illustrated: In der vergangenen Saison haben Sie sich einen Muskel vom Knochen abgerissen. Wie sehr ist Schmerz ein Teil von Football?
St. Brown: Ein gewisser Anteil an Schmerz gehört dazu. Wir Spieler sind zwar rundum gut geschützt, aber trotzdem kann es immer mal zu Verletzungen kommen. Als ich mir den Muskel abgerissen habe – und auch die Tage danach –, hat es sehr, sehr wehgetan. Dann wurde es langsam besser.
Sports Illustrated: Footballer knallen mit voller Geschwindigkeit ineinander, springen wieder auf und täuschen vor, dass sie keine Schmerzen verspüren. Manche Fußballer dagegen wälzen sich nach Fouls theatralisch am Boden.
St. Brown: Ich würde sagen, dass es bei einigen Fußballspielern Show ist, um so einen Freistoß oder sogar einen Elfmeter rauszuholen. Da müsste – wie in der NFL – viel mehr die Videoüberprüfung eingesetzt werden. Derartige Fakes kenne ich beim Football nicht. Im Football sind immer sieben Schiedsrichter auf dem Feld, die alles ziemlich genau sehen und sich auch besprechen, ehe eine Entscheidung getroffen wird. Und: Der Coach kann, indem er eine Flagge auf das Feld wirft, Einspruch gegen eine Entscheidung einlegen. Dann muss diese überprüft werden. Das tut dem Sport gut.
Sports Illustrated: Ihr Vater John ist Amerikaner, Ihre Mutter Miriam Deutsche. Was würden Sie an sich als typisch deutsch, was als typisch amerikanisch ansehen?
St. Brown: Schwer zu sagen. Ich bin ziemlich organisiert und immer pünktlich, in diesem Punkt bin ich also recht deutsch. Ich bin noch nie zu spät zur Klasse oder zu einem Meeting gekommen.
Sports Illustrated: Und amerikanisch?
St. Brown: Vielleicht, dass ich amerikanisches Frühstück – Pancakes, Waffeln oder auch Fleisch – dem deutschen mit Brötchen und so weiter vorziehe.
Sports Illustrated: Was vermissen Sie an Deutschland am meisten?
St. Brown: Meine Großeltern, die leider schon beide tot sind. Vor allem mit meinem Opa habe ich immer tolle Dinge unternommen. Fahrradtouren, angeln oder schwimmen gehen, jede Menge Spiele im Haus oder Holzhütten im Garten bauen. Immer wenn wir nach Deutschland kamen, hat unser Opa im Garten ein Klettergerüst mit Seilen zum Hangeln aufgestellt. Da haben wir stets den geliebten Garten meiner Oma verwüstet.
Sports Illustrated: Ihre Mutter hat Sie und Ihre Brüder täglich dazu gebracht, Deutsch zu lernen. Wie sieht man das als Kind?
St. Brown: Ich habe es gehasst (lacht). Es war nicht genug, dass wir nur Deutsch miteinander gesprochen haben, ihr war es auch wichtig, dass wir Deutsch lesen und schreiben lernen. Aus Deutschland hatten wir Arbeitsbücher, in denen wir nach der Schule immer noch einige Seiten ausfüllen mussten. Auch heute noch texten wir uns auf Deutsch.
Sports Illustrated: Wie würden Sie Ihr Aufwachsen und Ihre Erziehung durch Ihre Mutter und Ihren Vater – eine Bodybuilding-Legende – beschreiben?
St. Brown: Meine Brüder und ich sind von der Vorschule an auf eine französische Privatschule im kalifornischen Orange County gegangen. Da wurde der gesamte Unterricht auf Französisch abgehalten. Es gab nur eine Stunde Englisch am Tag. Meiner Mutter war wichtig, dass wir eine dritte Sprache lernen. Diese Schule ging aber nur bis zur sechsten Klasse. Damit wir richtig Französisch lernen, ist meine Mutter mit uns für ein halbes Jahr nach Paris gezogen – da war ich acht. Dort sind wir auf eine öffentliche Schule gegangen.
Sports Illustrated: Und Ihr Vater?
St. Brown: Mein Vater ist in Amerika geblieben, hat uns aber regelmäßig besucht. Als wir wieder in den USA waren, sind wir auf eine Middle School gekommen. Mit der neunten Klasse fing die Highschool an. Bis dahin sind wir jeden Sommer für drei Monate nach Deutschland gereist. Danach ging das aber nicht mehr, weil es mit dem Football zu intensiv wurde. Mein Vater legte viel Wert darauf, dass wir dann auf eine Schule gingen, die Football in einer guten Division spielte. Das war bei uns im Orange County die Trinity League. Ich war auf der Mater Dei High School in Santa Ana. Mit denen habe ich die State Championship gewonnen.
Sports Illustrated: Wie würden Sie Ihre Jugend beschreiben?
St. Brown: Wir sind immer viel gereist und mit meinem Vater oft nach Compton gefahren, um mit den Kindern dort zu trainieren. Mein Vater stammt selber aus Compton, einem Vorort von Los Angeles. Ihm war wichtig, dass wir auch mit den harten Jungs dort trainierten, nicht nur mit den wohlbehüteten Kindern aus Orange County. Ansonsten haben wir all das unternommen, was man in Kalifornien machen kann: Im Winter sind wir nach Big Bear – was ungefähr eine Autostunde von unserem Haus entfernt liegt – zum Snowboarden gefahren. Im Sommer waren wir oft am Strand, mit meinem Vater haben wir oft Paintball gespielt. Das machen wir immer noch.
Sports Illustrated: Sie sind nach dem ägyptischen Sonnengott benannt. Ihr kompletter Name lautet Amon-Ra Julian Heru J. Haben Sie sich mit Ihrem Vater über seine Beweggründe unterhalten, Ihnen diesen Namen zu geben?
St. Brown: Mein Vater hat vor vielen Jahren am Black Consciousness Movement teilgenommen …
Sports Illustrated: … der politischen "Bewegung des schwarzen Selbstbewusstseins".
St. Brown: Ja, in Los Angeles hat man sich damals mit schwarzen Professoren in Cafés getroffen. Die haben dann dort über die Herkunft der Schwarzen aufgeklärt. Die Namen der ägyptischen Götter hatten alle eine tiefe Bedeutung. Deswegen war es meinem Vater wichtig, dass seine Kinder Namen mit einer Bedeutung bekommen. Amon-Ra war der Sonnengott, der das ganze Universum erschaffen hat.
Sports Illustrated: Ihre Brüder heißen Equanimeous Tristan Imhotep J. St. Brown und Osiris Adrian Amon-Ra J. Wofür steht jeweils das "J."?
St. Brown: Für John, den Namen meines Vaters.
Sports Illustrated: Wie stolz sind Sie auf den Spitznamen "Sun God", also Sonnengott, den Sie bei den Lions erhalten haben?
St. Brown: Es ist ein sehr cooler Spitzname.
Sports Illustrated: Auch das St. hat Ihr Vater dem Namen Brown hinzugefügt.
St. Brown: Mein Vater wollte nicht, dass wir einen Sklavennamen auf unseren Jerseys stehen haben würden. Meine Urgroßmutter war noch eine Sklavin. Nach dem Ende der Sklaverei hat man den einstigen Sklaven einfach Namen zugeteilt. Vielen wurde der Nachname Brown gegeben. Mein Vater wollte diesen Sklavennamen nicht, also hat er dem Namen Brown etwas hinzugefügt. Und St. steht für Saint – Heiliger.
Sports Illustrated: Sie haben von Ihren Eltern sehr viel mitbekommen im Leben. Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie irgendwann Ihren eigenen Kindern vermitteln wollen?
St. Brown: Respekt, Disziplin – und Leistung.
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