Miami Dolphins

Der erste Deutsche im Super Bowl: NFL-Legende Uwe von Schamann im Interview

Als Alphaville 1984 "Big in Japan" sang, war der Berliner Uwe von Schamann gerade "Big in the USA". Als Kicker der Miami Dolphins stand er 1983 und '85 im Super Bowl. Das machte ihn zwar weder zum Millionär, noch zum Star in Deutschland, ihm ist das aber egal.

Uwe von Schamann "The Kick"
Credit: Getty Images
Sports Illustrated 05/22
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Die neue Ausgabe von Sports Illustrated mit Manuel Neuer und Leon Goretzka im Exklusiv-Interview
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Inhalt

  • Deutscher NFL-Veteran Uwe von Schamann im Interview
  • Von Schamann spielte von 1979 bis '85 für die Miami Dolphins
  • Von Schamann gilt als einer der besten Kicker der NFL-Geschichte

DASS SEIT DEN SPÄTEN 1970ER-JAHREN einiges passiert ist, zeigt die sportliche Karriere des Uwe von Schamann. Denn hätten wir heutzutage einen wie ihn – einen Footballspieler, der als Placekicker im US-amerikanischen College- und Profi-Football so einiges abräumte und als einer der besten seiner Zeit galt: Er wäre mindestens schon in zwei Dutzend Sportpublikationen erschienen und hätte auf den TV-Talk-Sofas der Nation gesessen.

Uwe von Schamann, der 1956 im Berliner Bezirk Spandau als Sohn einer alleinerziehenden Mutter zur Welt kam, trat in Deutschland nie prominent in Erscheinung. Nicht, als er 1983 als erster Deutscher überhaupt den Super Bowl erreichte, und auch nicht, als ihm dies 1985 ein zweites Mal gelang. Dass er, wie er selbst sagt, "als Heranwachsender immer Fußball gespielt" habe, unterschied ihn in Berlin wenig von seinen Freunden.

Erst als er als Jugendlicher, während eines Besuches bei Bekannten seiner Mutter in Fort Worth, Texas, als Gastschüler eine örtliche High School besuchte und man ihn dort fragte, ob er denn einen Football kicken könne, ging die Football-Reise los. Von Schamann erinnert sich: "Ich versuchte es, und sie sagten: 'Gut, du bist ab jetzt unser neuer Kicker.'" Das sagten 1979 auch die Miami Dolphins, für die er bis 1985 in der NFL kicken sollte. Ein Gespräch mit Uwe von Schamann.

Uwe von Schamann
Credit: Sammelkarte ist Eigentum der The Topps Company
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SPORTS ILLUSTRATED: Sie kamen 1972, mit 16, in die USA. Beschreiben Sie Ihren Weg durch den High-School- und College-Football ein wenig. Wann wurde Ihnen auf diesem Weg klar, dass Ihre Reise als Kicker bis in die NFL führen könnte?

UWE VON SCHAMANN: Ich kam mit 16, als Sophomore, ins Team. Meine Karriere an der High School war erfolgreich. Nach meinem Junior-Year (das Jahr vor dem Abschlussjahr, das in den USA Senior-Year genannt wird; Anm. d. Red) hätte ich dank meiner guten Noten im Deutschunterricht – wohlgemerkt als Deutscher – schon den Abschluss machen können. Mein Coach sagte mir dann aber: "Wenn du noch ein Jahr bleibst, bekommst du vielleicht ein Stipendium." Ich fragte: "Was ist ein Stipendium?" Er sagte: "Na ja, das ist, wenn die Uni deine College-Ausbildung bezahlt." Ich: "Sie wollen mir erzählen, die bezahlen mir das College, nur weil ich einen Football trete? Was für ein Land. Ich liebe dieses Land." Also blieb ich noch ein Jahr, und es kamen tatsächlich Angebote verschiedener Colleges, das überzeugendste aber kam von der University of Oklahoma, die zur damaligen Zeit schon ziemlich gut war. Wir hatten dort einen Trainer, Barry Switzer, der drei nationale Meisterschaften mit den "Sooners" gewonnen hatte. Ich habe gleich in meinem Freshman-Year eine gewonnen. Das College war großartig. Danach wurde ich von den Miami Dolphins gedrafted.

Sports Illustrated: Wie war Ihr Englisch in den ersten Jahren?

Von Schamann: Ich sprach Anfangs kaum Englisch. Ich habe mein Englisch in Texas gelernt, spreche also mit einem "Texas Drawl" (Bezeichnung für einen Akzent aus Texas; Anm. d. Red).

Sports Illustrated: Kommen wir auf ein Ereignis von 1977 zu sprechen, das man auch heute noch unter dem Namen "The Kick" in einem Youtube-Video Revue passieren lassen kann: Ihre Oklahoma Sooners spielten damals auswärts vor gut 88.000 Menschen gegen die Ohio Buckeyes, lagen Sekunden vor Schluss mit 26:28 zurück. Ihr Team bekam einen Kick, Sie mussten punkten, um zu gewinnen. Sie blieben angesichts der Schmähgesänge der Ohio-Fans cool – und verwandelten. Legendär. In den USA kennen Sportfans Sie, wissen, was mit "The Kick" gemeint ist. In Deutschland kennt man Sie hingegen kaum ...

Von Schamann: Natürlich nicht (von Schamann lacht).

Sports Illustrated: Hätten Sie sich in Ihrem Geburtsland mehr Anerkennung für Ihre durchaus beachtlichen sportlichen Erfolge gewünscht?

Von Schamann: Darüber denke ich nicht wirklich nach. Und es kümmert mich auch nicht weiter. Ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein, werde auch immer einer bleiben. Aber es interessiert mich nicht, dass mich die Menschen hier nicht kennen. Im Gegenteil: Ich finde es eher angenehm.

Sports Illustrated: Sie waren der erste Deutsche, der den Super Bowl erreichte, schafften das sogar zweimal: 1983 und 1985. Wie haben Sie diese Spiele in Erinnerung?

Von Schamann: Unsere erste Super-Bowl-Saison begann mit einem Streik.

Sports Illustrated: Sie streikten für die Free Agency, die es damals noch nicht gab.

Von Schamann: Korrekt. Die Spieler, die nach mir kamen, haben von unserem Streik profitiert. Ich damals noch nicht. Wir haben überhaupt noch nicht so viel verdient. Der Grund dafür, dass wir den Super Bowl überhaupt erreichten, war vermutlich, dass wir auch während des Streiks trainierten. Das hat uns sehr geholfen. Unglücklicherweise verloren wir dieses Spiel dann. Bis zum vierten Viertel war es ein wirklich enges Duell, dann allerdings schlugen uns die Washington Redskins (heute Washington Commanders; Anm. d. Red.). Ich traf alle meine Kicks. An mir lag es also nicht (lacht).

Uwe von Schamann - stand in zwei Super Bowls und verlor beide - sagt:
"Ich traf alle meine Kicks. An mir lag es also nicht."

Sports Illustrated: Sie verwandelten in beiden Super Bowls all Ihre Kicks.

Von Schamann: Das stimmt, ja.

Sports Illustrated: Sie kamen zu einer Zeit zum Football, als Kicker noch gerade anliefen und mit den Zehenspitzen schossen. Sie aber brachten einen neuen, vom Fußball inspirierten Stil ins Spiel, liefen, wie bei einem Eckstoß im Fußball, im 45-Grad-Winkel an und schossen mit dem Spann. Würden Sie sich als Pionier bezeichnen?

Von Schamann: Nein, eigentlich nicht. Schon in den 1960er-Jahren gab es die Gogolak-Brüder (Pete spielte zwischen 1964 und '74 für die Bills und die Giants; Charlie spielte zwischen 1966 und '72 für die Redskins und Patriots; Anm. d. Red.), die ursprünglich Fußballspieler in Ungarn waren. Und dann gab es vor mir auch noch einen Norweger namens Jan Stenerud (spielte zwischen 1967 und 85 für die Chiefs, Packers und Vikings; Anm. d. Red.), der eine großartige Karriere hinlegte und als erster Kicker in die Hall of Fame aufgenommen wurde. Bevor er zum Football kam, war er Skifahrer an der Montana State University.

Sports Illustrated: Wie würden Sie das Umfeld für NFL-Profis zu Ihrer aktiven Zeit beschreiben – auch im Vergleich zu heute?

Von Schamann: Es war ein Job. Und wenn du deinen Job nicht gemacht hast, haben sie dich rausgeschmissen. Das war zweifelsohne stressig. Aber wenn man es als Kicker nicht aushält, in Situationen zu kommen, in denen man den Sieg auf dem Fuß hat, dann sollte man kein Kicker werden. Ich habe es genossen, dem Team helfen und zum Erfolg beitragen zu können.

Uwe von Schamann: "Mein Durchschnittsgehalt lag damals vermutlich bei 40.000 bis 50.000 Dollar. Heutzutage verdienen sie Millionen."

Sports Illustrated: Sie sagten einmal, als Kicker wäre man auch eine Art Punchingball für die Coaches. Wenn die in die Bredouille kämen, wären die Kicker die ersten, die rausgeschmissen würden.

Von Schamann: Exakt. Sie hatten nicht viel Geduld. Und heutzutage ist es sogar noch ärger. Kicker haben eine Menge Druck, aber sie verdienen mittlerweile auch eine Menge Geld. Mein Durchschnittsgehalt lag damals vermutlich bei 40.000 bis 50.000 Dollar. Heutzutage verdienen sie Millionen.

Sports Illustrated: Ihre Spielerkarriere machte Sie also nicht zum Millionär?

Von Schamann: Nein, nicht mal annähernd. Viele von uns hatten in der Offseason Jobs, um ihr Einkommen aufzubessern.

Sports Illustrated: Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gegenüber schilderten Sie einmal, wie einigen Ihrer Teamkollegen nach der Karriere einfach das Geld ausging. Wie ging es für Sie weiter?

Von Schamann: Ich besuchte in der Offseason die Universität, konnte schließlich meinen College-Abschluss machen und anschließend meiner Passion folgen und kranken Kindern und Kindern mit Behinderung helfen. Ich arbeitete für zwei Krankenhäuser, indem ich den Staat Oklahoma bereiste, Vorträge über die Arbeit in diesen Krankenhäusern hielt und Fundraising-Events organisierte. Das war nach dem Football meine Leidenschaft und auch der Job, aus dem ich schließlich in Rente ging.

Sports Illustrated: Sie haben einen Studienabschluss in Journalistik.

Von Schamann: Ja, ich habe einen Abschluss in Radio-, TV- und Filmjournalismus.

Sports Illustrated: Wie geht es Ihnen heute? Sie leben in Oklahoma, nicht weit weg von Ihrer Alma Mater.

Von Schamann: Ja, ich wohne nicht weit weg vom Campus. Ich reise jetzt auch viel und habe zwei Söhne, der ältere spielt Baseball für die deutsche Nationalmannschaft, mit der er zuletzt leider die Qualifikation für die Weltmeisterschaft verpasste, aber nächsten September die Europameisterschaft spielen wird.


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