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Beachvolleyball-Star Laura Ludwig: "Im Sport werden Mamas leider vergessen"

Laura Ludwig ist die beste deutsche Beachvolleyball-Spielerin. Im Sports-Illustrated-Interview spricht die zweifache Mutter über die Vereinbarkeit von Leistungssport und Mutterschaft sowie den Unterschied zwischen Beach- und Hallenvolleyball.

Beachvolleyballerin Laura Ludwig
Credit: Getty Images

Sports Illustrated: Wie kommt man als Kind darauf, Volleyball spielen zu wollen? 

Laura Ludwig: (lacht) Als ich acht Jahre war, wollte der Köpenicker SC seine Volleyballabteilung ausbauen. Deshalb wurde in Schulen gesichtet und dort Aushänge verteilt. Meine Mutter hat so einen Aushang gesehen und meinte: „Probier das doch mal aus, Volleyball sieht elegant aus“. Eigentlich habe ich zu der Zeit Judo gemacht, da war der Anfahrtsweg aber zu lang. Also habe ich Volleyball ausprobiert und bin seither dabeigeblieben – auch wenn das zu Beginn noch nicht wirklich volleyballastig war, sondern mehr ums Sporttreiben ging. 

Sports Illustrated: Wann haben Sie gemerkt, was Sie mit dem Sport erreichen können?  

Ludwig: Das ist alles organisch gewachsen. Ich habe schon immer gemerkt, dass ich eine der Besten in den Mannschaften war, habe mir aber nie etwas darauf eingebildet. Ich durfte als Teenager regelmäßig bei den Erwachsenen mitspielen, was ein cooles Gefühl war. Welche Möglichkeiten mir der Sport bieten kann, habe ich allerdings erstmals gemerkt, als ich mit 17 die Möglichkeit aus Leverkusen bekam, dort Bundesliga zu spielen und meine Schule beenden zu können.  

Sports Illustrated: War das Ihr Schlüsselmoment zur Profikarriere? 

Ludwig: Zumindest ein sehr wichtiger Moment. Ich hatte zuerst großen Respekt davor, allein 500 Kilometer weg von zuhause zu wohnen und dort auf eine neue Schule zu gehen – und wollte deshalb erst ablehnen. Meine Eltern haben mir aber versprochen, jedes Wochenende nach Leverkusen zu kommen und so viele Spiele wie möglich zu besuchen. Deshalb habe ich den Schritt gewagt und keine Sekunde bereut. Danach nahmen die Dinge so ihren Lauf.  

Beachvollerballerin Laura Ludwig bei Olympia 2021 in Tokyo
Credit: Getty Images
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Sports Illustrated: Ist Ihnen die Umstellung nicht schwergefallen? 

Ludwig: Nicht wirklich. Ich wurde zwar ins kalte Wasser geworfen, musste mein Leben allein organisieren – sei es putzen, Wäsche machen oder eine halbwegs vernünftige Ernährung – meine Schule gut zu Ende bringen und mich gleichzeitig in einer Erwachsenenmannschaft in der Bundesliga etablieren, allerdings hat dieser Lernprozess gut funktioniert. Ich habe am Ende alles unter einen Hut bekommen, habe mein Abitur geschafft und mich gleichzeitig sportlich und menschlich weiterentwickelt.  

Sports Illustrated: In diese Zeit fällt auch Ihr Wechsel von Hallen- zu Beachvolleyball. 

Ludwig: Eigentlich hat das größtenteils meine erste Partnerin Sara Goller entschieden. Ich war zuerst skeptisch und wollte meine Comfort-Zone in der Halle erstmal nicht verlassen, aber Sara hat mich überzeugt, den Fokus auf Beachvolleyball zu legen und den Sport professionell zu betreiben. Im Nachhinein kann man glaube ich sagen, dass diese Entscheidung richtig war. Wir haben schnell gemerkt, dass wir uns verbessern und die Großen schlagen können. Dann habe ich mit Beachvolleyball mein Geld verdient.  

Sports Illustrated: Wie schwer ist die Umstellung von Hallen- auf Beachvolleyball? Was sind die größten Unterschiede? 

Ludwig: Darüber könnte ich einen Roman schreiben (lacht.) Im Grunde sind es zwei verschiedene Sportarten. Beim Beachvolleyball bist du ständig gefordert und in jeden Ballwechsel involviert, musst sowohl angreifen als auch verteidigen können. Da man nur zu zweit spielt, kann man sich nicht verstecken und in schlechten Phasen auswechseln lassen. Man muss durch diese Täler durch. Außerdem ist die Hallendecke als Fixpunkt zur Einschätzung des Balles nicht vorhanden, was am Anfang die Umstellung erschweren kann.  

Sports Illustrated: Sie haben in Ihrer Karriere viele Titel gewonnen. Wie stolz sind Sie, wenn Sie darauf zurückblicken?  

Ludwig: Darauf bin ich sehr stolz. Es ist im Nachhinein schön zu sehen, dass sich meine Karriere immer organisch step-by-step entwickelt hat und nichts erzwungen wurde. Ich hatte den Antrieb, mich stetig weiterentwickeln und bin durch jeden neuen Lebensabschnitt als Person und Sportlerin gereift. Ich wollte in jedem Moment die bestmögliche Laura sein. Es hat mir immer Freude gemacht, Volleyball zu spielen, auch wenn es auch mal Tage gab, an denen ich mich zum Training schleppen musste. Aber der Spaß und die Leidenschaft am Spiel haben immer überwogen.  

Sports Illustrated: Steht Ihre Olympische Goldmedaille von 2016 gemeinsam mit Kira Walkenhorst über allem?  

Ludwig: Natürlich war das der Wahnsinn, an der Copacabana in Rio de Janeiro Gold zu gewinnen. Das nimmt mir auch keiner mehr. Auf andere Highlights meiner Karriere blicke ich aber auch gerne zurück. Zum Beispiel hatte ich 2017 eine Schulter-Operation und meine Partnerin Kira hatte körperliche Probleme. Ttrotzdem konnten wir zum Abschluss unserer Partnerschaft die WM gewinnen. Oder mein erster EM-Sieg 2008 in Hamburg, obwohl Sara und ich noch „Küken“ waren. Der Sport hat mir unzählige tolle Momente beschert.  

Sports Illustrated: Sie haben im Verlauf Ihrer Karriere mit verschiedenen Partnerinnen zusammengespielt – wie schnell gewöhnt man sich aneinander?  

Ludwig: Das kann man mit einer Ehe vergleichen. Man hat am Anfang die „Honeymoon-Phase“, in der man zusammenkommt und sich super versteht. Dann fragt man sich nach einer Weile, ob es nicht besser wäre, sich auch mal deutlicher die Meinung zu sagen und muss eine gemeinsame Sprache finden. Irgendwann findet man eine Ebene, stellt sich aufeinander ein und kennt die Ecken und Kanten der anderen. Es ist wichtig, sich gegenseitig einschätzen und vertrauen zu können, um erfolgreich zu sein. Kira und ich kannten uns beispielsweise nicht, als wir zusammenkamen und habe auch zwei oder drei Jahre gebraucht, um uns aneinander zu gewöhnen.  

Sports Illustrated: Ist es für den gemeinsamen Erfolg dabei wichtig, ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen?  

Ludwig: Am Ende ist es eine Business-Partnerschaft, in der es darauf ankommt, sich gegenseitig zu respektieren und sich auf dem Feld aufeinander verlassen zu können. Man muss über alles sprechen und sich auch mal die Meinung geigen können, ohne beleidigt zu sein. Auch wenn ich zu meinen Partnerinnen immer eine sehr gute menschliche Beziehung hatte, ist das nicht entscheidend für gute Leistungen.  

Sports Illustrated: Wie gut ist das Verhältnis zu anderen Paaren auf der Tour? 

Ludwig: Gerade zwischen den Paaren in Deutschland herrscht Konkurrenzkampf. Alle konkurrieren um zwei Plätze für Olympia. Das erzeugt automatisch Konfliktpunkte. Es ist aber kein vergiftetes Verhältnis. Man respektiert sich gegenseitig. Da ich ein offener und kommunikativer Mensch bin, hatte ich immer wieder einen sehr guten Austausch, gerade mit internationalen Spielerinnen und habe einige freundschaftliche Beziehungen aufgebaut.  

Sports Illustrated: Einige Ihrer ehemaligen Konkurrentinnen waren auch bei Ihrem Karriereende am Hamburger Rothenbaum im Oktober zugegen – was war das für ein Gefühl? 

Ludwig: Das war ein tolles Event und der perfekte Abschluss meiner Karriere, gerade in Hamburg, der Stadt in der ich lange gelebt und meinen ersten EM-Titel gefeiert habe. Ich hatte bereits im August mein Karriereende zum Saisonende verkündet und deshalb die verbleibenden Turniere nochmal bewusster erleben und alle Emotionen aufsaugen können. Deshalb ist mir der Abschied vom Sport nicht schwergefallen. Er hat mir vieles gegeben. Aber ich habe gemerkt, dass ich keine Lust mehr hatte, täglich zu trainieren. Außerdem wäre es auch logistisch schwer geworden, da mein älterer Sohn in die Schule kommt und wir ihn auf Reisen nicht einfach mitnehmen können. Deshalb genieße ich es, jetzt mehr Zeit für meine Kinder zu haben.  

Laura Ludwig und Louisa Lippmann
Laura Ludwig und Louisa Lippmann
Credit: PR
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Sports Illustrated: Sie sprechen es an: Sie sind zweifache Mutter. Wie hart war es für Sie, gleich zweimal nach Ihrer Schwangerschaft in den Leistungssport zurückzukehren? 

Ludwig: Hart ist ein schwieriger Ausdruck, weil Familie und Leistungssport grundsätzlich unglaublich schöne Dinge sind. Aber natürlich braucht man Disziplin und ein klares Ziel vor Augen und hat mit einigen neuen Herausforderungen zu kämpfen. Als ich nach meiner Schwangerschaft unterwegs war, hatte ich manchmal Gefühlsausbrüche, die ich so nicht kannte, weil diese abgöttische Liebe zum eigenen Kind neu für mich war. Deshalb war es beim ersten Comeback emotional herausfordernd. Beim zweiten Mal wusste ich, was auf mich zukommt, allerdings war es logistisch deutlich anspruchsvoller, zwei Kinder und den Sport unter einen Hut zu bringen. Man will 100 Prozent auf dem Platz geben, benötigt eine gewisse Kapazität im Kopf aber auch für die Kinder. Jedes Comeback hat seine Tücken, ist aber definitiv machbar. 

Sports Illustrated: Hat es Ihnen geholfen, dass Sportlerinnen vor Ihnen bereits vorgemacht hatten, dass ein Comeback möglich ist? 

Ludwig: Definitiv. Ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte, wenn ich nicht gewusst hätte, dass es funktionieren kann. Kerri Walsh war in dieser Hinsicht ein großes Vorbild für mich, die nach ihrer Schwangerschaft auf die Tour zurückgekehrt ist. Das hat mir den Schritt erleichtert.  

Sports Illustrated: In Zukunft können Sie eine solche Vorbildrolle einnehmen. Würden Sie sich wünschen, dass sich sportartunabhängig mehr Frauen trauen, Familie und Leistungssport zu kombinieren? 

Ludwig: Ja, aber nur wenn sie die nötige Unterstützung erhalten. Im Sport ist es leider so, dass Mamas am Ende doch vergessen werden. Dabei ist jede Beachvolley-Spielerin nach ihrer Schwangerschaft athletisch und mental stärker zurückgekommen. Wenn man Mutter wird, reift man unheimlich als Persönlichkeit, was sich auch positiv auf die sportliche Leistung auswirkt. Dennoch herrscht immer noch die Haltung, dass sich Mütter nach ihrem Comeback neu beweisen müssen. Dabei müssten sie bedingungslos unterstützt werden. 



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