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Ein Jahr vor der WM 2026 : Wie steht es um den Fußball in den USA?

2026 findet in den USA, Kanada und Mexiko die Fußball-WM statt. Aber wie steht es um den Sport in den Vereinigten Staaten? Kann die WM ein Erfolg werden, haben die US-Boys Chancen – und welche Rolle spielt Präsident Trump?

Was für ein Fest
Credit: POW!!!
  • Fußball-WM 2026 in den USA mit großem Patriotismus und Trump im Fokus
  • US-Fußball wächst dank Nachwuchsförderung und Europa-Transfers
  • Trotz großer Hoffnungen lastet enormer Druck auf dem US-Team

 

Kann man ein Land elektrisieren, begeistern – ja, in Ekstase versetzen –, indem man Ausländern aufs Maul haut? Das ist tatsächlich eine berechtigte Frage vor der Fußball-WM 2026; vielleicht ist es gar zwingend notwendig, sie ganz genau so zu stellen. Offiziell wird das Turnier in den USA, Kanada und Mexiko ausgetragen, jedoch: Der Pokal wird in New York übergeben werden, von US-Präsident Donald Trump.

Länderspiel des US-Teams gegen Panama
Länderspiel des US-Teams gegen Panama
Credit: GettyImages
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FIFA-Chef Gianni Infantino hat höchstselbst eine Nachbildung des WM-Pokals ins Oval Office gebracht. Und er hat Trump zwei Dinge versichert, die den Präsidenten elektrisierten, begeisterten, ja in Ekstase versetzt haben dürften. Trump denkt in Superlativen, Infantino versprach: „Es wird, als würde man einen Monat lang jeden Tag drei Super Bowls veranstalten.“

Und über das US-Team sagte er – Musik für die Ohren von Trump, dessen Lieblingswort „Winning“ ist: „Die USA können sicherlich gewinnen.“ Also, was muss passieren, damit die Leute danach über die WM sagen werden: Was für ein Fest! Und was könnte schlimmstenfalls passieren, dass es danach heißt: Was für ein Fest? Damit zurück zur Ausgangsfrage und zum: Eishockey.

Die NHL veranstaltete im Februar als Interludium der Saison kein All-Star-Spiel, sondern ein sportlich unbedeutendes Vier-Länder-Turnier. Das Interesse außerhalb der Eishockeyblase: gleich null.

Dann aber buhten die sonst so respektvollen Kanadier – wegen der politischen Spannungen zwischen beiden Ländern (Trump hatte wiederholt verkündet, aus Kanada einen US-Bundesstaat machen zu wollen) – beim Singen der US-Hymne vor dem Duell der Nachbarn. Die amerikanischen Spieler zettelten daraufhin innerhalb der ersten neun Spielsekunden drei Schlägereien an. Sie gewannen die Partie.

Präsident Infantino (r.) präsentiert US Präsident Trump im Oval Office die Trophäe der Klub- WM.
Präsident Infantino (r.) präsentiert US Präsident Trump im Oval Office die Trophäe der Klub- WM.
Credit: Imago
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Die US-Fans waren elektrisiert, begeistert, in Ekstase. Zum Rückspiel im Finale kamen sie verkleidet als Benjamin Franklin, Abraham Lincoln und Weißkopfseeadler – Wappenvogel des Landes. Trump, der vor den Prügeleien nicht mal von diesem Turnier gewusst hatte, rief das Team vor dem Spiel an; die Rufe während der Partie in Presslufthammer-Lautstärke: „U-S-A! U-S-A!“ So einfach war das.

Eine Fußball-WM bedeutet für den Gastgeber heutzutage zwei Dinge: sich selbst so präsentieren, wie man in der Welt wahrgenommen werden will. Das ist eine knifflige Frage für die USA und 2026, weil Trump die Wahrnehmung des Landes quasi täglich ändert – und freilich steht das Turnier am Ende des zweiten WM-Vergabe-Dreiklang-Zyklus.

Der erste waren „Was für ein Fest!“-Events in Deutschland, Brasilien und dazwischen Südafrika (erste WM in Afrika!), der zweite der mit Turnieren in Russland, Katar und nun Nordamerika – und jeweils der Frage: „Was für ein Fest?“

Das ist der zweite Aspekt: Das „Sommermärchen“ war auch deshalb eines, weil die deutsche Elf unter Jürgen Klinsmann das Land elektrisierte, begeisterte, in Ekstase versetzte – so sehr, dass es währenddessen gar eine Debatte gab, ob das nicht ein bisschen zu viele Deutschland-Fähnchen und „Schlaaaaaaand“-Rufe sind.

Diese Debatte wird es 2026 nicht geben, die Amerikaner frönen gerne dem Patriotismus – und die WM bietet ihnen, im Gegensatz zum eigenen Sportsystem, einen Monat lang Gelegenheit dazu. Das ist, kurzer Einschub, auch der Grund, weshalb man die Klub-WM in diesem Sommer – deren Trophäe Infantino ebenfalls im Oval Office Trump übergab – um Gottes willen nicht als Gradmesser für die Stimmung ein Jahr später verwenden sollte. Ja, auch bei diesem Turnier kommen Teams aus aller Welt, für die meisten ist es allerdings das Treppenhaus der Vorbereitungen auf die neue Saison: muss man halt durch.

Es hat nichts Einendes, wenn der FC Bayern gegen Auckland spielt, die Seattle Sounders gegen Botafogo oder Inter Mailand gegen Al Ahly – außer für Fans der jeweiligen Klubs. Das kennen die Amerikaner aus ihren Sportsystemen: Franchises konkurrieren um Titel, die Meister heißen „World Champion“, obwohl es zum Beispiel beim American Football lediglich die landesweite Meisterschaft mit 32 US-Teams ist.

Beim politisch aufgeladenen Eishockey- Duell zwischen Kanada und den USA kam es im Februar zu mehreren Prügeleien
Beim politisch aufgeladenen Eishockey- Duell zwischen Kanada und den USA kam es im Februar zu mehreren Prügeleien
Credit: Imago
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Fußball-WM ist anders - auch anders als Olympia

Die Sommerspiele 2028 finden bekanntermaßen in Los Angeles statt – gegen Ende der zweiten Amtszeit von Trump oder inmitten des Wahlkampfs um eine dritte; Trump hat bereits Andeutungen gemacht, dass er das durchaus vorhaben könnte. Noch weit hin, und Olympia ist mannigfaltiger: mehr Disziplinen, mehr Events, mehr Medaillen. Fußball-WM: ein Sport, ein Turnier, ein Sieger.

Die Stimmung hängt auch vom Abschneiden des Heim-Teams ab. Nur so viel: Bei günstiger Konstellation könnten die Amerikaner (sicher in Gruppe D) ihr Achtelfinale am 4. Juli in Philadelphia austragen – exakt 250 Jahre nachdem dort die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet worden ist. Was für ein Independence Day, was für ein Fest! Aber auch: Was für ein Druck!

Das US-Team, über das FIFA-Chef Infantino nun öffentlich gesagt hat, dass es „absolutely“ Weltmeister werden könne, muss dieses Achtelfinale ja erst mal erreichen. Nur dann werden nicht nur die Fußballfans in diesem Land skandieren, was sie seit mehr als einem Jahrzehnt rufen:

„I believe that we will win!“

2014 war der Satz erstmals das allgemein anerkannte Fußballmotto der Amerikaner. Sportsender ESPN bewarb WM-Übertragungen mit skandierenden Promis wie Kevin Costner, Whoopi Goldberg oder Ice Cube. Die Fanvereinigung American Outlaws traf sich vor den Partien in der kalifornischen Strandstadt Hermosa Beach. Die Fans zogen von der Kneipe, die Fußball-Legende George Best im Jahr 1978 eröffnet hatte, zur Großleinwand am Strand – und riefen:

„I believe that we will win!“

Das von Klinsmann trainierte Team kam ins Achtelfinale. Klinsmann, schon wieder. Der hatte in Deutschland mit Disruptions-Optimismus („Im Grunde müsste man den ganzen Laden auseinandernehmen“) jene Veränderungen eingeleitet, die den Weg zum WM-Titel 2014 überhaupt erst sichtbar werden ließen. Das probierte er später auch in den USA, sagte aber vor eben diesem Turnier in Brasilien: „Für uns ist es nicht realistisch, vom Titel zu sprechen.“ Das war der Dolchstoß ins Sport-Selbstverständnis der Amerikaner, denn: Mittlerweile wussten sie, was dieses Soccer ist.

ZWEITE HEIMAT Jürgen Klinsmann, der seit Jahrzehnten in Kalifornien lebt, war von 2011 bis 2016 US-Nationalcoach
Jürgen Klinsmann, der seit Jahrzehnten in Kalifornien lebt, war von 2011 bis 2016 US-Nationalcoach
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Das war 20 Jahre vorher, bei der Heim-WM 1994 mit dem öden 0:0-Finale zwischen Brasilien und Italien, das erst im Elfmeterschießen zugunsten der Seleção endete, noch anders. Fußball galt damals (und manchen noch heute) als Frauensport – und dies nur nebenbei: Die US-Frauen haben mittlerweile vier WM-Titel und fünf olympische Goldmedaillen geholt. 2014 aber kannten sie den Sport; sie wollten, genau deshalb hatten sie Klinsmann ja geholt.

Überall hieß es, dass sie glauben durften – und genau das wird jedem Sportler, ach was, jeder Person in diesem Land eingebläut: Wer will und glaubt, der kann auch. So einfach sei das nicht im Fußball, warnte Klinsmann. Nicht nur, weil die anderen auch wollten und daran glaubten – sondern schon seit Jahrzehnten konnten. Er legte eine Blaupause vor für künftigen Erfolg:

  • ordentliche Fußball-Leistungszentren,
  • Ausbildung in Akademien von Profiklubs wie in Europa und Südamerika – und nicht an Schulen und Unis wie in den USA,
  • möglichst früher Wechsel von Talenten nach Europa, um sich dort in Training und Spielen an Duelle mit den Besten der Welt zu gewöhnen,
  • die heimische Liga nicht als Altersheim für Weltstars, sondern als Ausbildungsliga für Amerikaner.

Kurz: heimischen Sporttalenten aufzeigen, dass es auch im Fußball für sie einen Weg zum Prädikat Weltstar gibt.

Die Teenager von 2014 – so Klinsmanns Mantra – das sind die mit einer realistischen Chance auf den WM-Titel. Einer der Teenager von damals: Tyler Adams, zu der Zeit ein 15 Jahre altes Talent in der Akademie der New York Red Bulls und Symbol dafür, wie viele von Klinsmanns Visionen umgesetzt wurden.

Mit zwölf kam er zur Akademie – was 15 Jahre davor undenkbar gewesen wäre, weil es einfach keine gegeben hatte. Erster Profivertrag mit 16, auch das war davor unmöglich. An Schulen und Unis sind Gehälter verboten; mittlerweile dürfen Talente immerhin Sponsorenverträge abschließen.

1994 fand zum ersten Mal eine Fußball- Weltmeisterschaft in den USA statt. Der Gastgeber kam ins Achtelfinale, wo man am späteren Weltmeister Brasilien scheiterte
1994 fand zum ersten Mal eine Fußball- Weltmeisterschaft in den USA statt. Der Gastgeber kam ins Achtelfinale, wo man am späteren Weltmeister Brasilien scheiterte
Credit: Imago
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Wechsel nach Europa mit 20 über die Red-Bull-Brücke von New York nach Leipzig. Bei der WM in Katar 2022 – die Amerikaner erreichten das Achtelfinale – war er mit 23 Jahren der jüngste Kapitän des Turniers; kurz darauf wurde er zum US-Fußballer des Jahres gewählt. „Es war die perfekte Umgebung, um Profi zu werden“, sagt Adams am Telefon. „Ich konnte reifen, auch als Mensch.“

Oder Christian Pulisic: bei Borussia Dortmund ausgebildet, seit er 16 ist und mittlerweile Angreifer beim AC Mailand. Oder Flügelflitzer Gio Reyna, mit 16 aus der Akademie des New York City FC nach Dortmund gekommen, derzeit nach Nottingham verliehen. Oder Joe Scally, der schon mit 15 Profi wurde und mit 19 zu Gladbach kam. Oder Tim Weah: Der Stürmer von Juventus Turin hätte – sein Vater ist die liberianische Fußball-Legende George, seine Mutter Clar Jamaikanerin – für vier Nationen spielen dürfen. Er entschied sich für die USA.

Christian Pulisic
Christian Pulisic
Credit: GettyImages
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Kleine pikante Nebengeschichte: Der liberianische Fußballverband stimmte 2018 als einziger aus Afrika nicht für Marokko als Gastgeber 2026, sondern für Nordamerika – nach einem Treffen des Verbandschefs mit George Weah, der mittlerweile Präsident seines Heimatlandes war.

In Atlanta baut der US-Verband gerade ein 200-Millionen-Dollar-Trainingszentrum, das pünktlich zur Vorbereitung aufs WM-Turnier fertig sein soll.
Scheint doch alles bereitet für den Durchbruch bei der Heim-WM, fürs Fußball-Fest!

Tyler Adams
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Nur: Bei der Copa América 2024 scheiterten die Amerikaner nach Niederlagen gegen Panama und Uruguay bereits in der Vorrunde. Kürzlich verpassten sie das Nations-League-Finale (und damit womöglich einen Anruf von Trump davor) gegen Rivalen Mexiko durch ein 0:1 gegen Panama. Das Spiel um Platz drei verloren sie 1:2 gegen Kanada.

Sie haben einen ordentlichen Kader – aber eben keinen wie Deutschland 2014, der zudem gestählt und motiviert war durch die Niederlagen gegen Spanien und Italien bei den Turnieren davor. Und angesichts dieser Ergebnisse – nun, wahrlich nichts gegen WM-Favoriten – fragt man dann doch: Glauben die Amerikaner eigentlich selbst dran?

Er sei nicht glücklich gewesen über dieses Gespräch zwischen Trump und Infantino, sagt Mauricio Pochettino. Der Argentinier, davor Cheftrainer bei Tottenham, Paris St.-Germain und Chelsea, ist seit September fürs US-Team verantwortlich. „Er hätte sagen sollen: ‚Das müssen Sie unseren großartigen Trainer fragen; der kennt sich besser aus‘“, sagte Pochettino vor der Niederlage Ende März gegen Panama. „In fünf oder zehn Jahren können wir sicher die Nummer eins der Welt sein.“ Moment, Señor Pochettino, die Heim-WM findet aber schon 2026 statt, wie sieht es denn da aus?

US-Nationalcoach Mauricio Pochettino
Rechts: US-Nationalcoach Mauricio Pochettino
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„Meine Antwort an den Präsidenten: Ja! Mit Ihrer Hilfe, mit den Fans im Rücken, als Gastgeber – da ist alles möglich.“ Sie wollen also, dass alle – vom Präsidenten des Landes über den Cheftrainer bis zu den American Outlaws – daran glauben, dass dieses US-Team sportlich erfolgreich sein und für Feststimmung sorgen kann?

„Es ist nun mal in der Kultur verankert: Wenn die Amerikaner an einem Sport-Event teilnehmen, wollen sie es gewinnen“, sagt Pochettino. „Der Druck ist immens, und nun hat ihn der neue Präsident erhöht. Wir begrüßen das; es liefert das Adrenalin, das wir brauchen. Wir sind bereit abzuliefern.“

Ob die Strategie, den Druckregler bereits ein Jahr vor Turnierbeginn aufs Maximum zu schieben, wirklich zielförderlich ist, wird sich zeigen. Druck kann auch lähmen, und wenn eines über Trump gewiss ist, dann dies: Er lässt Verlierer schneller fallen, als Lucky Luke seinen Revolver ziehen kann – und damit zurück zum Eishockey. Trump hatte seine Aufmunterung ans Team davor, wie immer, bestens vermarktet und mit ein paar politischen Spitzen gegen den Gegner garniert.

Die Niederlage der Amerikaner im Finale ignorierte er komplett. Verlierer existieren nicht in seiner Welt. Gut möglich, dass Trump nun ein Jahr trommelt für die WM und das US-Team, den Druck geradezu ins Unermessliche erhöht – und nach ein paar Spielen völlig ignoriert, dass überhaupt ein Turnier stattfindet. Und dann? Ist es vielleicht doch nicht ganz so schlecht, dass dieses Fest noch zwei weitere Gastgeber hat.



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